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HEFT NR. 18

Demenz und Depressionen – was kommt auf uns zu?

Trotz Fortschritten bei der Erkennung – teilweise auch bei der Behandlung – sind die unipolare Depression und die Demenz zwei Krankheiten, die in Deutschland nach wie vor mit der größten Krankheitslast einhergehen. Insbesondere bei der Versorgung und Behandlung von alten Patienten mit Depressionen existieren nach wie vor große Verbesserungsspielräume. Ungeachtet aller Aufklärungskampagnen und einer gestiegenen Sensibilisierung von Ärzten und medizinischem und pflegerischem Personal, wird die Depression als  eigenständige Erkrankung nach wie vor nicht ernst genug genommen. Im Fall der Demenz wird immer deutlicher, dass diese Erkrankung offenbar der Preis für die Hochaltrigkeit ist. Insofern werden gegenwärtig in Deutschland Jahr für Jahr 244.000 Neuerkrankungen registriert. Zwar lässt sich bei einzelnen Entwicklungen, wie beispielsweise beim Ausbau der Selbsthilfe, ein eindeutig positiver Trend aufzeigen. Was aber nach wie vor aussteht, sei eine Gesamtstrategie, die die vorhandenen personellen Ressourcen der informellen Pflege wie der Fachpflege in den Blick nimmt.

Vor diesem Hintergrund beleuchten die Autoren des Diskurs-Hefts 18 „Demenz und Depressionen – was kommt auf uns zu“ aus verschiedenen Perspektiven Erfolge, Chancen und Versäumnisse im Umgang mit den beiden Erkrankungen.

Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig, verweist in seinem Referat unter anderem auf Forschungsbemühungen, die möglichst ganz zu Beginn oder besser noch vor dem Auftreten kognitiver Defizite mit Behandlungsversuchen ansetzen. Die Hoffnung ruht derzeit auf Versuchen, über Biomarker Personen mit erhöhtem Erkrankungsrisiko zu identifizieren. Die Herausforderung besteht hier darin, große Gruppen von weitgehend oder völlig beschwerdefreien Personen zu identifizieren, über viele Jahre zu begleiten und mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen. Ein wichtiger Schritt dafür wäre die Entwicklung brauchbarer, leicht zu erhebender Biomarker mit guter prognostischer Sensitivität und Spezifität, hebt Hegerl hervor.

Prof. Dr. Volker Ulrich, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre III an der Universität Bayreuth, lenkt in seinem Beitrag den Blick auf die Bedeutung informeller Pflegekosten im Zusammenhang mit der Demenz. Denn diese sind entscheidend für die Gesamtkosten der Alzheimer-Demenz – wurden in vielen Studien aber bisher nicht angemessen berücksichtigt. Zwar erfährt die Pflege zu Hause die höchste Wertschätzung, muss aber nicht immer auch eine kosteneffiziente Versorgungsform darstellen. Von daher macht die Suche nach alternativen Versorgungskonzepten ökonomisch durchaus Sinn.Wie sich die Kosten der Behandlung und Betreuung von Demenz-Patienten entwickeln werden, ist nur schwer und mit Unsicherheiten abzuschätzen. Die künftige Ausgabenentwicklung bei Alzheimer-Medikamenten wird entscheidend davon abhängen, ob die Kompressions- oder die Medikalisierungsthese gilt. Kostenkompression würde in diesem Zusammenhang bedeuten, dass das Eintreten der Erkrankung im Lebenszyklus nach hinten verschoben und parallel dazu auch die Ausgabenkurve abgeflacht werden kann. Doch eine Behandlung gegen Demenz, die den Verlauf der Krankheit hinausschiebt, gibt es noch nicht.

Dr. h.c. Jürgen Gohde, Kurator des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, richtet in seinem Referat den Fokus auf die Schnittstellen und Übergänge in der Betreuung von Demenz-Patienten zwischen Familie, Pflege und Krankenhaus. Denn Menschen mit demenziellen Erkrankungen und ihre Angehörigen sind auf kreative Beziehungen im Sozialraum angewiesen. Doch an den Schnittstellen des Versorgungssystems zeigen sich die Herausforderungen: Gohde bezeichnet die Verbesserung von Beratung und Case- und Care-Management als unumgänglich. Als weitere Herausforderung steht die Stärkung und Förderung der Pflegebereitschaft der Angehörigen durch den Ausbau einer flexibilisierten Tagespflege an. Unverzichtbar schließlich ist eine Nationale Demenzstrategie, die evaluierbare Umsetzungsschritte enthält und Zuständigkeitsfragen regelt.

Prof. Dr. Meryam Schouler-Ocak, Leitende Oberärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin, verweist in ihrem Beitrag darauf, dass die wachsende Gruppe älter werdender Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland aufgrund vielfältiger Risikofaktoren eine Demenz im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung deutlich früher ausbildet. Doch gerade bei dieser Gruppe erschweren fehlende valide Testinstrumente und kultur- und sprachgebundene Verständigungsprobleme die diagnostische Zuordnung mit  Fehldiagnosen und -behandlungen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass interkulturelles Kompetenztraining als ein Modul in die Ausbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe aufgenommen werden sollte.

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