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HEFT NR. 19

Demenz – neue Ansätze in Forschung, Diagnose und Therapie

Durchbrüche bei der medikamentösen Behandlung von Menschen mit Alzheimer-Demenz sind gegenwärtig nicht in Sicht. Doch für Defätismus hinsichtlich der Prävention und Behandlung der Erkrankung, von der zurzeit rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind, besteht kein Anlass. Das haben die Teilnehmer des 19. Frankfurter Forums betont, das am 26./27. Oktober 2018 unter dem Generaltitel „Alzheimer-Demenz – neue und hoffnungsvolle Ansätze in Forschung, Diagnose und Therapie“ in Fulda tagte.

Professor Dr. Dr. Thomas Fuchs, Karl-Jaspers-Professor für philosophische Grundlagen der Psychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, betont in seinem Aufsatz eine Auffassung von Personalität, die ihre Grundlage in der Leibphänomenologie hat. Danach ist Selbstsein wesentlich verkörpert: Es beruht auf einer Geschichte leiblicher Erfahrungen, die sich in den Gewohnheiten des wahrnehmenden, fühlenden, handelnden Umgangs mit der Welt niedergeschlagen hat. Diese Form des Gedächtnisses weist auf eine Kontinuität und Identität der Person hin, die nicht in ihren bewussten Erinnerungs- und Wissensbeständen verankert ist, sondern in einer in unserem Leib sedimentierten Erfahrung.

Professor Dr. Frank Jessen, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Köln, diskutiert die Frage, inwieweit Risikoprofile und Biomarker für die individuelle Prädiktion der Alzheimer-Krankheit geeignet sind. Aus vielen Studien der letzten Jahre ist bekannt, dass aggregiertes Amyloid und -Tauprotein bei der Alzheimer-Krankheit der symptomatischen Manifestation einer Demenz bis zu 30 Jahre vorausgehen. Durch Anwendung von  Biomarkern bei leichten und unspezifischen klinischen Syndromen ist das Risiko für eine spätere Demenz abschätzbar. In der Forschung werden bereits Interventionen bei Patienten mit leichten kognitiven Störungen und einem für die Alzheimer-Krankheit typischen Biomarkerbefund durchgeführt.

Oliver Stahl, Senior Director Corporate Affairs bei Lilly Deutschland, schildert aus der Perspektive eines forschenden Pharmaunternehmens die Forschungsanstrengungen der vergangenen 30 Jahre. Er verweist darauf, dass die Komplexität klinischer Studien zunimmt, da sich der Fokus immer mehr zu Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung verschiebt. Dies führt dazu, dass mittlerweile eine einzige Zulassungsstudie mehrere hundert Millionen Euro kosten kann. Dies illustriert den enormen finanziellen Aufwand und das erforderliche Durchhaltevermögen, das die Arzneimittelforschung insbesondere in diesem Therapiegebiet kennzeichnet.

Professor Dr. Hans Förstl, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München,  skizziert Vorgeschichte, Gegenwart und Zukunft der Demenzbehandlung. Etwa 2000 Jahre lang bestimmte die Humoralpathologie das therapeutische Handeln auch hinsichtlich der Demenz. Sie wurde abgelöst von der aufklärerischen Iatrochemie, der strapaziösen Sozialpsychiatrie und der toleranten Münchner Klassik. Wiederaufbau und Ölkrise prägten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Umgang mit dem Demenzproblem als Vitamin- und Treibstoffmangel. Die Pharmakologie der Antidementiva verbessert in unserem Zeitalter der Telekommunikation die Signaltransmission von Neuron zu Neuron. Aktuell gibt die Grundlagenforschung wichtige Hinweise für die Bedeutung der zerebralen Hydraulik und Osmose.

Professor Dr. Johannes Pantel und Dipl.-Psych. Arthur Schall, Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt, diskutieren in ihrem Beitrag den Stellenwert nicht-medikamentöser Therapieansätze. Das Spektrum der Interventionen umfasst kognitiv aktivierende Verfahren, körperliche Aktivität und multisensorische Anregung ebenso wie den Einsatz künstlerischer Medien oder technischer Artefakte. Allen Ansätzen gemeinsam ist eine ressourcenorientierte Ausrichtung im Sinne einer Förderung von Wohlbefinden, Lebensqualität und positiver Emotionen. Personalintensität, die häufig nicht gesicherte Refinanzierung durch Sozialkassen sowie die nicht flächendeckend gegebene Verfügbarkeit sowie Zugänglichkeit sind bestehende Hürden für den Einsatz nicht-medikamentöser Verfahren.

Dr. Thomas Sitte, ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Deutschen Palliativ-Stiftung, verweist in seinem Beitrag darauf, dass an Demenz erkrankte Menschen unter denselben anderen Beschwerden leiden wie Nicht-Demente. Dazu kommen durch die fortschreitende demenzielle Entwicklung starke oder auch stärkste Schmerzen, von denen demente Menschen mehr betroffen sind. Zudem wird die Kommunikationsfähigkeit im Laufe der Demenz immer mehr eingeschränkt, so dass das Erkennen und Behandeln von Schmerzen eine therapeutische Herausforderung sein kann. Sitte betont, die Behandlung von Schmerzen bei Menschen auch mit schwerster Demenz ist in Deutschland im Krankenhaus genauso wie in Pflegeeinrichtungen und zu Haus leitliniengerecht möglich.

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