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HEFT NR. 12

Sozialstaatsgebot und Wettbewerbsorientierung

Das Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen greift mit Heft 12 in der Reihe „Diskurse“ ein Thema auf, das auf der aktuellen gesundheitspolitischen Agenda keinen Platz mehr zu haben scheint. Unter dem Titel „Sozialstaatsgebot und Wettbewerbsorientierung“ fragen vier Autoren aus interdisziplinärer Perspektive nach dem Stellenwert und dem Verhältnis von Marktwirtschaft und Versorgungsgerechtigkeit.

Tatsächlich ist der Streit über Konzepte wie Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie nicht mehr Teil der Tagespolitik. Beantwortet ist damit die Frage nach der Weiterentwicklung des hiesigen Mischmodells aus staatlicher Regulierung, Selbstverwaltung und Wettbewerb im Gesundheitswesen noch nicht. Wie soziale Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung unter den Bedingungen knapper Mittel auch künftig realisiert werden kann, ist offen.

Vorgestellt wird in dem Heft daher unter anderem ein „Ergänzungsmodell“. Das Modell orientiert sich nicht am absoluten Bedarf, sondern der Versorgungsanspruch eines Versicherten wird an der Absicherungsentscheidung eines Durchschnittsbürgers orientiert. Das Konzept sieht vor, die kollektive Gesundheitsversorgung regelmäßig um diejenigen Leistungen aufzustocken, die der Durchschnittsbürger freiwillig zusätzlich versichert. Damit, so der Autor, könne der Sozialstaat verhindern, dass ganze Bevölkerungsgruppen von der Normalversorgung abgekoppelt werden.

Da die polaren Modelle Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie mit vielen Übergangs- Umsetzungsproblemen behaftet sind, erfährt zur Zeit die reformierte Dualität von Gesetzlichen Krankenversicherung und Privater Krankenversicherung eine Renaissance. In der Vergangenheit sind durch regulatorische Eingriffe jeweils systemfremde Eingriffe in die GKV und PKV eingeführt worden – wie beispielsweise der Basistarif in der PKV oder Wahltarife mit Selbstbehaltsoptionen in der GKV. Dennoch ist eine Konvergenz der beiden Versicherungssysteme bisher nicht erkennbar. Daher steht zumindest mittelfristig eine reformierte Dualität, in der das GKV- und PKV-System jeweils auf der Versicherungs-, Versorgungs- und Vergütungsseite weiterentwickelt werden, im Zentrum der Reformbemühungen.

In dem Maße, wie der Begriff „Wettbewerb“ in der politischen Rhetorik in der Vergangenheit inflationär bemüht wurde, ist eine konsequente ordnungspolitische Ausrichtung des Gesundheitswesens aus dem Blick geraten. Dazu gehört zentral die Idee, durch wettbewerbliche Suchprozesse die Steuerung der Versorgung zu verbessern. Die bisher mit dem Selektivvertragswettbewerb verbundenen Hoffnungen haben sich ganz überwiegend nicht erfüllt. Es wird daher ein konkreter Vorschlag erläutert, wie ein selektivvertraglicher Innovationswettbewerb ausgestaltet werden müsste. Ein kassenindividuelles Forschungs- und Entwicklungsbudget, das mit Evaluations- und Publikationspflichten einhergeht, könnte dabei einen wichtigen Anstoß liefern.

Solidarität und Wettbewerb sind nicht unvereinbare Pole der Gestaltung der Versorgung. Angesichts der Tatsache, dass aus marktwirtschaftlichen Strukturen allein keine Versorgungsgerechtigkeit hergestellt werden kann, wird die Bewahrung der normativen Grundlagen der GKV zu einem ständigen Balanceakt, war ein Resümee der Diskussionen beim 12. Frankfurter Forum.

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