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HEFT NR. 25

Resilientes Gesundheistwesen: Lernen wir aus der Pandemie?

Das deutsche Gesundheitswesen hat durch die Corona-Pandemie einen ungeahnten Stresstest erfahren. Dabei wird für Deutschland oft ein positives Zwischenfazit gezogen: das Gesundheitswesen habe sich als leistungsfähig erwiesen und den Belastungen standgehalten, zusammen mit den Coronamaßnahmen in allen gesellschaftlichen Ebenen ergebe sich eine Mortalitätsrate, die zumeist niedriger ausfällt als in anderen europäischen Staaten.

Indes zeigen sich bei näherer Analyse eine Vielzahl von Schwachstellen, die teilweise auch über das Gesundheitswesen hinausgreifen. Dies betrifft die unzureichende Krisenerkennung, die nicht auf verlässliche digitale Werkzeuge gestützt war, die strukturelle und personelle Unterausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes oder das defizitäre Monitoring des Pandemiegeschehens.

All dies wurde begleitet durch einen länderspezifischen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen, der es den Bürgern erschwerte nachzuvollziehen, ab welchem Schwellenwert welche Corona-Maßnahmen greifen. Bis heute sind zudem schwerwiegende ethische Fragen beispielsweise im Zusammenhang mit Besuchsverboten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen nicht im Ansatz aufgearbeitet worden.

Im vorliegenden Heft widmen sich die Autorinnen und Autoren diesen Aspekten:

Professor Dr. mult. Eckhard Nagel, Dr. Michael Lauerer und Dennis Henzler vom Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Krisenmanagement: Regionale Kompetenzen, nationale Koordination, globale Verantwortung“ mit Handlungsoptionen für eine Stärkung der Resilienz von Gesundheitssystemen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es einerseits darum gehen müsse, vernachlässigte regionale Strukturen im Gesundheitswesen zu stärken. Andererseits sollte ein Ineinandergreifen verschiedener Ebenen organisiert werden, bei denen sich spezifische Kompetenzen mit Autorität verbinden müsse. Der Grad der Handlungsfähigkeit administrativer Strukturen sei eine wichtige Komponente der gesellschaftlichen Resilienz. Keine übergeordnete logistische Strategie könne eine solche grundlegende Orientierung ersetzen.

Dr. Ute Teichert, bis Ende Januar 2022 Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst und seit Februar Leiterin der Abteilung 6 im Bundesgesundheitsministeriums, widmet sich in ihrem Beitrag „Bedeutung des ÖGD im Gesundheitswesen – aktuelle Situation und Zukunftsperspektiven“ der schlagartig veränderten Betrachtung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Zuge der Pandemie.

Unzureichende finanzielle und personelle Ressourcen sowie eine mangelhafte digitale Ausstattung der Gesundheitsämter als Folge jahrelanger Einsparungen seien offen zu Tage getreten. Der Mitte 2020 beschlossene „Pakt für den ÖGD“ mit einem Vier-Milliarden-Euro-Paket des Bundes habe die Chance eröffnet, die Situation vor allem in den Gesundheitsämtern vor Ort personell und strukturell zu verbessern. Bei der Umsetzung des Pakts müsse es darum gehen, den ÖGD mit seinem breiten Aufgabenspektrum materiell, qualitativ und ideell aufzuwerten, um damit seinem bevölkerungsmedizinischen Stellenwert auf Dauer gerecht zu werden.

Prof. Dr. Guido Noelle, Geschäftsführer der gevko, betont in seinem Beitrag „Krisenerkennung und -management durch digitale Unterstützungsprozesse“, dass Krisen in der Vergangenheit immer auch ein Katalysator für Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen waren. Digitalisierung von Prozessen könne in der Prävention, Erkennung und Bewältigung von Krisen auf allen Ebenen eine wichtige Rolle spielen, bedürfe aber auch immer eines (analogen) Plan B. Weiterhin sei es für eine optimale Wissensschöpfung nötig, die einzelnen Maßnahmen zur Digitalisierung im zweiten Schritt in einen sinnvollen Kontext zu setzen. Dies sei sicher der längerfristige und schwierigere Teil der Aufgabe.

Prof. Dr. Volker Ulrich, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre III, insbesondere Finanzwissenschaft an der Universität Bayreuth, greift in seinem Beitrag „Versicherungsleistungen versus Öffentliche Aufgaben – Finanzierungskonsequenzen“ das Faktum auf, dass in der Corona-Pandemie immer mehr Steuermittel in die Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) geflossen sind. Der Autor geht der Frage nach, inwieweit ordnungsökonomische Kriterien herangezogen werden können, um künftig klarer zwischen Beitrags- und Steuerfinanzierung zu unterscheiden. Für GKV und SPV ließen sich versicherungsfremde Leistungen nur schwierig abgrenzen mit der Konsequenz, dass dort Steuermittel für versicherungsfremde Leistungen bisher nicht zielgenau eingesetzt werden. Um willkürliche Finanzierungsentscheidungen zu vermeiden, sollten Politiker daher deutlicher als bisher ihr präferiertes Mischungsverhältnis aus Steuern und Beiträgen ordnungsökonomisch begründen.

Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, geht in seinem Beitrag „Strukturen, Aufgaben und Prozesse eines krisenresilienten Gesundheitssystems“ der Frage nach, wie das Krisenmanagement von Bund und Ländern verbessern werden kann. Hierzu sei eine Neuordnung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern im Bereich der Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes notwendig. Dies erfordere einen breiten politischen Konsens über die Parteigrenzen hinweg. Bei diesem Prozess müssten verpflichtend die Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände in die Entscheidungsprozesse und -strukturen auf der Bundesebene einbezogen werden. Nur mit modernen Versorgungsstrukturen und einer klaren Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Ebenen könne es gelingen, das Krisenmanagement für kommende Herausforderungen zu verbessern. Ein effizientes Monitoring der drohenden Gefahren sei dabei eine wichtige Voraussetzung.

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