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HEFT NR. 27

Forschungsförderung: Transparente Strukturen gesucht

In Deutschland existiert zum Thema Forschungsförderung in der Medizin eine sehr heterogene Informationslage. Eine Gesamtschau über Koordination und Finanzierung der verschiedenen staatlichen und privaten Institutionen gibt es bislang nicht. So findet sich keine Übersicht, in welcher Höhe staatliche und private Mittel fließen, ob diese Mittel als direkte Geldzuflüsse oder über Anreizsetzungen indirekt erfolgen, ob eine Individual- oder eine Gruppenförderung bis hin zu einem Forschungsverbund vorliegt, ob es sich um eine Einmalzahlung handelt oder ob Folgeförderanträge gestellt werden können. Über diese fehlende Zusammenstellung hinaus gibt es weitere finanziell relevante Fragen: Wie verteilen sich Risiko und Erfolg auf die öffentlichen und privaten Kapitalgeber auf der einen und die Forschenden nach Abschaffung des Professorenprivilegs vor 20 Jahren auf der anderen Seite? Was zudem fehlt, ist die Gesamtschau des Volumens, die transparente Darstellung von Gebern und Nehmern und die „Erfolge“ der Förderprogramme und ihres Nutzens für die Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund hat das Frankfurter Forum am 1./2. Juli 2022 folgende Vorträge gehört und diskutiert:

Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede, seit 2021 Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizi-nischen Fachgesellschaften (AWMF), skizzierte die Herausforderungen in der Forschungsförderung, die aus Sicht der AWMF bewältigt werden müssen. So benötigten die Ersteller von Leitlinien eine erweiterte Evidenzbasis; hierzu gehöre vor allem eine größere Zahl von qualitativ hochwertigen klinischen Studien, unabhängig von Entwicklungsprojekten der Industrie für Zulassungsverfahren für den Marktzugang.Besonders wichtig sei die Förderung von hypothesengenerierender explorativer klinischer Forschung, damit Innovationsimpulse auch aus der Anwendung am Krankenbett kommen können. Gelingen könne dies allerdings nur, wenn unter anderem Clinician Scientists (klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte) gefördert werden  - insbesondere für patientenorientierte klinische Forschung und für neue Ansätze in der registerbasierten klinischen Forschung.

Prof. Dr. Thomas Schlegel, Kanzlei für Medizinrecht Prof. Schlegel Hohmann & Partner, beschäftigte sich in seinem Beitrag mit den Rahmenbedingungen für die Finanzierung von disruptiven Innovationen aus Sicht von Investoren und Innovatoren im Gesundheitswesen. Dazu werden die Auswirkungen von Digitalisierung und Personalisierung in der Medizin auf die Stakeholder sowie die regulatorischen Rahmenbedingungen beleuchtet. Der Beitrag zeigt vor allem auf, welchen Nachholbedarf Deutschland im Hinblick auf Venture Capital hat, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Dr. Yannic Nonnenmacher und Prof. Dr. Rolf Müller, Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland, heben hervor, dass die zunehmende Verbreitung antibiotika-resistenter Erreger die Entwicklung neuer Wirkstoffe unabdingbar mache. Dennoch erreichten seit Jahrzehnten kaum neue Produkte mit innovativen Wirkmechanismen den Markt. Hauptursache für diese Entwicklungslücke sei die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Entwicklung antimikrobieller Wirkstoffe. Nötig sei daher eine Kombination aus Push und Pull Incentives, um die Transitionslücke zwischen akademischer Forschung und Wirkstoffentwicklung in der pharmazeutischen Industrie zu schließen.

Dr. Verena Heise, Freelance Open Science Consultant,
Trainer und Researcher, beleuchtet anhand von Praxisbeispielen aus der COVID-19-Pandemie, inwiefern die Relevanz von Forschungsfragen, Belastbarkeit von Studienergebnissen und Transparenz von Studieninformationen in der akademischen Forschung eine wichtige Rolle für den Erfolg von Transition spielen. Forschungsförderer können durch gezielte Anreize oder Bedingungen, die an Forschungsförderung geknüpft sind, einen großen Einfluss auf diesen Prozess ausüben und somit zum Erfolg von Translation beitragen.

Prof. Dr. Julian Krüper, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Verfassungstheorie und Interdisziplinäre Rechtsforschung an der Ruhr-Universität Bochum, beschäftigt sich in seinem Beitrag mit rechtlichen Aspekten privater Forschungsförderung. Die Förderung medizinischer und pharmakologischer Forschung an Universitäten durch Unternehmen und andere Private könne für beide Seiten attraktiv sein. Sie unterliege indes Grenzen, die durch das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gezogen werden und in Normen des Hochschulrechts, des Arbeitnehmererfindungsrechts und auch des Strafrechts konturiert werden. So bleibe Forschungsförderung rechtlich möglich und üblich. Indes seien die Einflussmöglichkeiten der Förderer begrenzt, ebenso die Möglichkeiten der Geförderten, sich objektiver Schranken des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit zu entledigen.

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