Frankfurter Forum Heft 31 April 2025

HEFT NR. 31

Laut Report des „Lancet Countdown on Health and Climate Change“ wurde im Jahr 2024 eine Vielzahl neuer klimawandel-assoziierter Rekorde beobachtet; so stieg zum Beispiel die Hitze-bedingte Sterblichkeit bei der Bevölkerung ab 65 Jahre im Vergleich zu den 1990er Jahren weltweit um 167 Prozent. Die Toten der auch in Europa immer häufiger werdenden Extremwetter-Katastrophen wie unlängst in Spanien sind im Lancet Countdown noch gar nicht mitgerechnet.

Vor diesem Hintergrund hat das Frankfurter Forum bei seiner 31. Plenumstagung im Oktober 2024 in Fulda seinen im Frühjahr 2024 begonnenen Themenfokus unter dem Titel „Klima, Umwelt und Gesundheit“ - Praxiserfahrungen im Umgang mit den neuen Herausforderungen“ fortgeführt. Dabei wurde deutlich, dass ohne zivilgesellschaftliches Engagement und die Eigeninitiative der verschiedenen Stakeholder die Herausforderungen an das Gesundheitssystem durch den Klimawandel nicht bewältigt werden können. Gute Ideen und die Bereitschaft zur Übernahme eigener Verantwortung sind vorhanden. Nicht wenige Akteure des Gesundheitswesens haben bereits die Eigeninitiative ergriffen.

In allen Sektoren und bei den verschiedenen Stakeholdern des Gesundheitswesens lassen sich Leuchtturm-Projekte finden, die eindrucksvoll demonstrieren, wie durch eigenes Engagement im Rahmen der jeweils gegebenen Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten eine klimafreundliche, präventionsorientierte Nachhaltigkeitsstrategie im Gesundheitswesen vorangetrieben werden kann.

Dorothea Baltrucks, Leiterin des Centre for Planetary Health Policy, weist in ihrem Beitrag „Politische Weichenstellungen für ein zukunftsfestes Gesundheitswesen“ darauf hin, dass im deutschen Gesundheitswesen noch keine klare Strategie existiert, wie eine Transformation hin zu planetarer Gesundheit aussehen könnte, die soziale Gerechtigkeit und ökologische Grenzen berücksichtigt. Sie betont, Prävention, ressourcenschonende Versorgung und die Integration planetarer Gesundheit in politische Entscheidungsprozesse über die Gesundheitspolitik hinaus würden ein großes Potenzial für nachhaltige Gesundheitsförderung bergen. Wichtig wäre in allen Politikfeldern eine Gesetzesfolgenabschätzung hinsichtlich Gesundheit, Umwelt und Klima, um so weit wie möglich die bislang weitgehend externalisierten Umwelt- und Gesundheitskosten für die Allgemeinheit sichtbar zu machen und zu reduzieren.

Thomas Diekamp, Referent für Klimaschutz beim AWO Bundesverband, hebt in einem Beitrag „Klimaschutz und -anpassung in der Pflege und sozialen Einrichtungen“ hervor, die Freie Wohlfahrtspflege sei durch ihre Größe in der sozialökologischen Transformation ein wichtiger Akteur. 1,9 Millionen Beschäftigte stünden täglich im Kontakt mit vielen Millionen Menschen. 2021 beschloss die AWO auf ihrer Bundeskonferenz, dass sie mit allen 18.000 Einrichtungen und Diensten vor 2040 klimaneutral werden soll. Zudem sollte ein verbindlicher Ziel- und Maßnahmenplan entwickelt wird, der Wege bzw. erste Schritte zur Klimaneutralität aufzeigt. Gelinge es, den Ziel- und Maßnahmenplan, der über die Jahre weiterentwickelt und verschärft wird, umzusetzen, sei die AWO auf einem guten Weg die Klimaneutralität ihrer Einrichtungen und Dienste vor 2040 zu erreichen.

Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbands, betont in ihrem Beitrag „Perspektiven der Betriebskrankenkassen für ein nachhaltiges Gesundheitssystem“, dass eine „neue“ Prävention ein zentraler Schlüssel zum Schutz des Klimas und notwendigen Anpassungen an die bereits erlebbaren Klimaveränderungen sei. Der Präventions- und Versorgungsalltag in der GKV sehe hingegen leider anders aus. Denn, statt Prävention vor Kuration umzusetzen, sei das deutsche Gesundheitswesen ein Reparatursystem. Prävention müsse in einem ersten Schritt aus den gesetzlichen Silo-Regelungen herausgeholt und ganz neu als Primat des Handelns in der GKV verankert werden. Um die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen voranzutreiben, sei die Entwicklung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie erforderlich. Weiterhin müsse Nachhaltigkeit umfassend in die Sozialgesetzgebung integriert werden. Denn Klimaneutralität und ökologische Nachhaltigkeit träfen auf ein stark reguliertes System, bei dem die rechtlichen Möglichkeiten der Krankenkassen stark limitiert sind, sich mit Nachhaltigkeitsaspekten auseinanderzusetzen.

Dr. Andreas Lipécz und David Shimada vom Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz e.G. fokussieren sich in ihrem Beitrag „Zukunft trotz(t) Krisen: Klimasensible, ambulante Medizin im Gesundheitsnetz QuE Nürnberg“ darauf, wie das Netz Praxen dabei unterstützen kann, eine klimasensible Gesundheitsversorgung zu etablieren. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen, die Praxen dabei helfen, auf extreme Wetterbedingungen wie zum Beispiel Hitzewellen zu reagieren und die Patientenversorgung an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Dazu gehören Schulungen, Informationsmaterialien und praktische Werkzeuge, die Ärzte und Praxispersonal auf die Herausforderungen vorbereiten und auch die Resilienz der Praxen stärken. Die Zahl der an der QuE-Schulung interessierten Institutionen wachse stetig, und die Rückmeldungen aus der Gesundheitswirtschaft und der Öffentlichkeit seien positiv.

Prof. Dr. Dr. Kai Zacharowski und Dr. Suma Choorapoikayil von der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie der Goethe Universität Frankfurt beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Der Weg zu einem grünen, nachhaltigen Krankenhaus“ mit dem Patient Blood Management (PBM) als einer effektiven Maßnahme zur Schonung von Blutressourcen. Diese Strategie habe zum Ziel, die Blutgesundheit der Patienten während des perioperativen Zeitraums zu optimieren. Durch den gezielten Einsatz von PBM könnten der Bedarf an Blutprodukten, die Verweildauer im Krankenhaus sowie die Behandlungskosten erheblich gesenkt werden. Gleichzeitig ließen sich auch Komplikationsraten reduzieren, was wiederum zu einem nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Gesundheitssystem beitrage.

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